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Joco Dev

Leben zwischen Arbeit und Rock’n Roll in der DDR

Werdegang von Joco Dev

Das Joco Dev Quartett enstand Ende 1966. Die Gründer waren Jörg Schenkel und Detlef Lübke. Der Name setzt sich aus Jörg, Conny und Detlef zusammen. Nach dem die Technik stand, denn ich baute wieder Verstärker und Boxen und Detlef half kräftig mit, holten wir Conny Hassbach mit an Bord. Erstmal ließen wir ein paar Bilder von uns machen. Dazu besorgten wir uns aus dem Theaterfundus ein paar Uniformen und stellten uns vor dem Neuen-Museum auf. Irgendwie hing das noch mit der Armee zusammen, daß wir uns Uniformen holten. Dabei mochte ich die Armee überhaupt nicht. Conny kannte ich schon vor der Armeezeit, dort spielte er mit Achim Mentzel in der Dieter Hesse Band. Als Conny zur Armee eingezogen wurde, bin ich sozusagen für ihn eingesprungen in seiner ehemaligen Band. Er musste sich für 3 Jahre verpflichten, weil er studieren wollte. Nach anderthalb Jahren wurde ich eingezogen zur Armee. Dort traf ich Conny wieder und konnte gleich in seine Band einsteigen als Bassist. Wir spielten dort für die Offiziere im Casino, zum Fasching oder in Neubrandenburg im Kultur-Centrum zum Tanz. Manchmal kam Dieter Birr von den späteren Puhdys vorbei und machte eine Rock’n Roll Einlage. Das war dann immer ein Gaudi. Unter Fotos sind noch ein paar Bilder von der Armee Band Tornado zu sehen.

Conny und ich wurden zusammen aus der Armee entlassen. Dann gründeten Detlef und ich das Joco Dev Quartett.
Die Mitglieder waren: Jörg Schenkel ba.vog, Conny Hassbach git.vog., Detlef Lüpke sax. fl. lead., Dieter Szredzek dr.

Die Zeit mit dem Joco Dev Quartett war leider schon nach einem Jahr vorbei. Weil Conny unbedingt im September 1967 studieren wollte. Jetzt waren Detlef und ich gezwungen, uns neue Musiker zu suchen und formierten uns neu mit den ehemaligen Brightles, die gerade Spielverbot hatten.

Das Joco Dev Sextett bestand von 1969 -1982. Nach dem uns Conny vom Joco Dev Quartett verlassen hatte, (er wollte studieren, siehe Joco Dev Quartett) mussten Detlef und ich (Jörg), uns um neue Musiker bemühen. Dabei stießen wir auf die Brightles, die gerade Spielverbot hatten. Wir holten Norbert Schmidt vog., Peter Sitzer dr., und Reiner Schubert git., an Bord. Später kam Helmut Schulte org., zu uns. Die Anfangsjahre (1969) vom Joco Dev Sextett waren die kreativsten. Es entstand Stapellauf und wurde zum erfolgreichsten Musikstück der Band. Die Grundidee und der Text stammte von Reiner Schubert, weiter dann mit der Zusammenarbeit der Band. Aber der Text wurde nicht vom Lektorat genehmigt – schwarze Schiffe kamen übers Meer – das war doch viel zu reaktionär. Der Regisseur von der Fernsehsendung die Notenbank Bernd Maywald, sprang ein mit seinem Text, Stapellauf im Telegramm-Stil. Norbert Schmidt füllte das Formular für die Rundfunk-Produktion Stapellauf aus, während wir die Aufnahme machten und unter Komponist war nur Platz für seinen Namen. Wir machten uns keine Gedanken über Urheberrechte oder Tantiemen und hatten nie daran gedacht, dass der Stapellauf mal ein Erfolgstitel wird. (Er lief auch als Film-Musik im Ausland). So naiv waren wir damals. Es ging uns eigentlich nur darum, dass wir unseren Spaß haben.

Die Tantiemen bekam unser Sänger Norbert, der sie leider nicht mit uns teilte. Für die Aufnahme bekam jeder 60,-Mark. Schade war nur, dass der im Rundfunk nicht gleich gespielt wurde, denn er wurde erstmal verboten und weggeschlossen, es hieß es sei Underground Musik. Nach 2 Jahren Warten hatte Prof. Heiking den Titel endlich freigegeben. Er war monatelang in der DDR Hitparade die Nr.1.

Im „Amiga Tonstudio“  in der Brunnenstr. in Berlin, spielten wir den Titel noch mal ein, der dann als Single-Platte raus kam. Darum gibt es 2 Versionen. Amiga  war technisch moderner ausgerüsteter und hatte die Rundfunkaufnahme nicht übernommen. Außerdem kamen zwei neue Mitglieder zur Band, weil Reiner git. und Helmut Schulte org. die Band verlassen hatten. Reiner aus Gesundheitsgründen (Netzhaut Ablösung), Helmut war der Weg aus Potsdam nach Berlin immer zu weit. Als Gitarrist kam Peter Nehls und an der Orgel Detlef Schmidt, genannt Ofen. Es entstanden zahlreiche neue Titel (siehe Eingangs-Webseite). Unsere Hochburg von Konzerten und Tanzabenden, denn wir mussten ja noch immer 5 Stunden zum Tanz spielen, war Mühlsen St. Niclas in Sachsen. Da ging die Post ab, es war die Hölle. Schade, dass das keiner mal filmte. Tage vorher reisten die Fans aus der ganzen DDR an. Sie übernachteten in Scheunen und auf dem Feldern, so gab es Ärger mit den Dorfbewohnern. Natürlich kam es zu Spannungen mit dem Bürgermeister, bis wir Auftrittsverbot bekamen. Es ereilte uns nun ein weiterer Schicksalsschlag. Die verhängnisvolle Zollaffäre, wegen unserer Instrumente und Verstärker aus dem Westen. Die ganze Geschichte begann damit, dass der Moderator von Schlager der Woche vom Rias Berlin Lord Knud (Musiker bei den Lord’s) 1971 ins Eisenbahner Kulturhaus, in Lichtenberg,  zu uns zu Besuch kam. (Eisenbahner Kulturhaus war die Hochburg der Musiker in Berlin. Hier spielten und traten sämtliche Gruppen aus der ganzen DDR auf. Dort zu spielen war immer wie ein Festival, da immer mehrere Gruppe auftraten).

Später stand in Westberlin, in der Zeitschrift Stern geschrieben, wir spielten auf den teuersten Musikinstrumenten, die es im Westen gibt. Dem Lord Knut war bis heute bestimmt nicht bewusst gewesen, was er uns und allen Musikern damit angetan hatte. Was dann geschah, kann man sich ja denken. Stasi lässt grüßen. Der Zoll kam, uns wurden die Instrumente weggenommen, Verhaftungen und Hausdurchsuchungen kamen, alles was aus dem Westen war, wurde beschlagnahmt, wir durften nicht mehr auftreten. Kultur, Funk und Fernsehen wollten mit uns nichts mehr zu tun haben, hatten von ganz oben strikte Anweisung uns nicht mehr einzusetzen. Damit waren wir für die DDR kulturpolitisch nicht mehr tragbar. Selbst der Veranstalter vom Eisenbahner Kulturhaus Klaus Schulz, sein Vater war hohes Politbüro-Mitglied, verlor seinen Job, wurde gefeuert, weil er es zugelassen hatte, dass einer vom Rias die Veranstaltung besucht hatte. Das hätte er verhindern müssen.

Das Kuriose an dieser Zoll-Geschichte aber war, dass wir für all unsere Instrumente und Verstärker Zollbescheinigungen hatten. Wir waren sozusagen der „Präzedensfall“  und waren uns sicher, es kann ja nichts passieren. Im Gegenteil, die Zollscheine wurden gegen uns verwendet. Es war der Nachweiß, was wir alles hatten. Uns wurde der Vorwurf gemacht, wir hätten Produktionsmittel eingeführt und die HO bzw.den Konsum betrogen. Die anderen Bands, die ebenfalls West-Instrumente und Verstärker hatten, bekamen es jetzt mit der Angst zu tun. Überall wurden Kontrollen bei den Bands durchgeführt. Das gipfelte darin, dass sie ihre Verstärker in andere Kisten bauten und die Schilder überklebten. Trotzdem mussten noch einige dran glauben. Nach vielen Verhandlungen mit dem Politbüro und der Kultur, gelang es unserem Bandleader, D. Lüpke, dass wir die Instrumente, nach dem wir sie nochmal bezahlt haben – nein nicht etwa 1:1 (West in Ost) , sondern wieder 1:4, wie wir sie schon vorher bezahlt hatten – wieder zu bekommen. Ich sagte damals zu den Zollbeamten, um international bestehen zu können, denn wir traten mit Omega aus Ungarn, im Konzert in der Hochschule Lichtenberg und mit Vatislaw Njemen aus Polen in Dresden, alles hervorragende international anerkannte Musiker, auf. Deswegen brauchten wir gute Instrumente und Verstärker. Für all das ganze Geld hätte ich mir auch ein Einfamilienhaus kaufen können. Jetzt wo wir kalt gestellt waren und untergingen, ging der kometenhafte Aufstieg für Puhdys und andere Rock-Gruppen richtig los. Aber wir ließen uns nicht unterkriegen und machten weiter.

Für uns kam jetzt eine harte Zeit, wovon wir uns nie so richtig mehr erholt hatten. Peter Nehls kam nicht wieder, für einige Zeit. Dafür kam Gerdi Wagner git., denn wir mussten ja irgendwie erstmal weiter machen, um die Kosten, der Strafen und Instrumente abzubezahlen. Die Kosten waren schon erheblich hoch. Es ging in die zig-tausende Mark, bei mir und Norbert. Meinen Polski Fiat wollten sie mir auch wegnehmen, aber da ich die Band gefahren hatte, nahm man wieder Abstand davon.

Der harte Kern, wie man uns nannte, Detlef, Jörg und Norbert, hatten immer noch unsere Arbeit, sonst hätten wir das nicht geschafft. Jetzt wurde nur noch gemuggt, (Muggen=Auftritte, heute heißt es Gigs) ca. vier mal die Woche im Schnitt, dafür blieb die Kreativität für eigene Titel auf der Strecke. Die Profis mussten ebenfalls Geld verdienen, denn sie lebten ja von den Muggen. Es wollt uns ja sowieso keiner mehr von Funk und Fernsehen haben. Das zog sich so bis 1980 hin. Ständiger Mitgliederwechsel und dabei kein Vorwärts-Kommen. Sie neu einzuarbeiten musikalisch, blieb an mir hängen, ich war ausgelaugt und stieg dann aus Gesundheitsgründen aus. Detlef machte noch 2 Jahre weiter und beendete Joco Dev dann. Die ganze Geschichte um uns ist nie so richtig bekannt geworden, jetzt habe ich sie ins Internet gestellt. Der Makel blieb an uns bis heute hängen. Auch heute noch werden wir, (Das Urgestein vom DDR Rock wie einer unserer Fans mir in einer E-Mail schrieb, nett formulierte) vergessen, ignoriert, geschweige denn mal erwähnt!

Erst in der Sendereihe Pop 2000 (Entwicklung der Pop Musik in Ost und West) wurden wir mal erwähnt. Wie schrieb ich im Text, als ich das Coverbild der eigenen CD entwarf, in welcher ich alle Titel  (Dank noch an Norbert, der mir mit Titeln aushalf) vom Joco Dev Sextett zusammen getragen habe (leider fehlt der Titel Heiße Hösschen, wer ihn zufällig hat, kann mich ja mal kontaktieren.

Norbert gründete Formel 1. Detlef und ich machten als Duo Gag weiter. Es war eine musikalische Reise durch Lateinamerika, mit herrlichen Dias im Hintergrund auf einer Leinwand. Mit Synthesizer, Gitarre, Flöte und lateinamerikanischen Rhythmen.

Es war, wie der Name schon sagte, ein Gag. Wir verstanden uns als kleiner Stachel, weil damals fast keiner ins westliche Ausland reisen durfte. Bis die Mauer 1989 fiel, dann war endgültig Schluss mit der musikalischen Reise durch Lateinamerika, dann konnte sie jeder selber machen.

So könnte ich noch viele Anekdoten und Geschichten erzählen, aber wen interessiert dass heute noch.

Jörg Schenkel

Joco Def in Schwarz/Weiß

Quellen

Joco Dev